Woher kommt der Begriff Altweibersommer?

Unsere Webcam liefert täglich tolle Bilder, in denen man langsam aber sicher das Ende dieses Sommers erkennt. Der Begriff „Altweibersommer“ klingt für viele heute vielleicht altertümlich oder gar kurios. Doch woher stammt dieser Ausdruck, der in Deutschland einen bestimmten, besonders schönen Abschnitt des Herbstes bezeichnet? Um den Ursprung und die Bedeutung des Begriffs zu verstehen, müssen wir uns sowohl mit der sprachlichen als auch mit der kulturellen Geschichte Europas auseinandersetzen. In diesem Beitrag untersuchen wir die verschiedenen Theorien zur Herkunft des Begriffs, seine kulturellen Wurzeln und die Bedeutung, die er im Laufe der Jahrhunderte entwickelt hat.

Der Altweibersommer als Naturphänomen

Der Altweibersommer bezeichnet eine meteorologische Periode, die typischerweise im September oder Oktober auftritt. In dieser Zeit ist das Wetter häufig ungewöhnlich mild und stabil, es gibt klare, sonnige Tage und kühle Nächte. Diese Phase tritt nach dem kalendarischen Sommer, aber vor dem eigentlichen Einzug des Winters auf. In vielen europäischen Ländern gibt es ähnliche Begriffe, die diese Spätphase des Sommers bezeichnen, wie etwa „Indian Summer“ in den USA oder „Veranillo de San Miguel“ in Spanien.

Das Besondere am Altweibersommer ist nicht nur die warme Witterung, sondern auch die typischen Spinnweben, die in dieser Zeit durch die Luft fliegen. Diese Spinnweben werden von kleinen Spinnenarten erzeugt, die in den letzten warmen Tagen des Jahres auf der Suche nach einem neuen Lebensraum sind. Diese Erscheinung ist eines der zentralen Elemente, die mit dem Begriff „Altweibersommer“ verbunden sind.

Etymologische Herkunft des Begriffs

Der Begriff „Altweibersommer“ scheint auf den ersten Blick vielleicht wenig schmeichelhaft, doch seine Wurzeln liegen tiefer als der bloße Klang vermuten lässt. Die populärste und wohl am weitesten verbreitete Theorie zur Herkunft des Begriffs bezieht sich auf die alten Spinnweben, die an die Haare alter Frauen erinnern könnten. „Weiber“ war früher ein neutraler Ausdruck für Frauen im Allgemeinen, ohne die eher abwertende Konnotation, die das Wort heute trägt. Es gibt auch den Hinweis, dass „Weiber“ im Mittelalter auf ältere Frauen angewendet wurde, die als Weise oder Heilerinnen galten.

Die Verbindung zwischen den Spinnweben und den alten Frauen könnte also auf Volksglauben und Legenden zurückzuführen sein, die in den Dörfern und ländlichen Gegenden Europas weit verbreitet waren. Alte Frauen, oft als weise, heilkundig oder gar magisch angesehen, wurden mit der Übergangszeit zwischen Sommer und Winter in Verbindung gebracht, da sie den Zyklus des Lebens und der Natur symbolisierten.

Der Altweibersommer in der Mythologie

Neben der rein sprachlichen Herkunft gibt es auch Hinweise darauf, dass der Altweibersommer in mythische Vorstellungen eingebettet ist. In vielen europäischen Kulturen gab es Göttinnen oder mythologische Figuren, die mit dem Wechsel der Jahreszeiten in Verbindung gebracht wurden. Ein prominentes Beispiel ist die nordische Göttin Holda (oder Frau Holle), die als Beschützerin der Frauen und als Symbol für Fruchtbarkeit und Ernte galt.

In einigen Überlieferungen wird erzählt, dass Frau Holle im Herbst das Wetter beeinflusste und ihre Spinnen die Spinnweben des Altweibersommers webten. In dieser Zeit segnete sie die Ernte und sorgte dafür, dass der Winter nicht zu früh eintraf. Die fliegenden Spinnweben könnten daher symbolisch für den Übergang von der warmen zur kalten Jahreszeit stehen – ein letzter Gruß des Sommers, bevor die dunkleren und kälteren Monate kommen.

Auch in der keltischen Mythologie gibt es ähnliche Vorstellungen. Der Wechsel der Jahreszeiten war oft mit bestimmten Göttinnen oder Naturgeistern verbunden, die das Land segneten oder verfluchten, je nachdem, wie die Menschen mit der Natur umgingen. In solchen Erzählungen wurden alte Frauen häufig als weise und mächtig dargestellt, und ihre Rolle im Jahreszyklus war zentral.

Der Altweibersommer in der Literatur

Der Begriff „Altweibersommer“ fand im Laufe der Jahrhunderte auch Eingang in die deutsche Literatur und Poesie. Schriftsteller und Dichter griffen das Thema immer wieder auf, um das Spiel der Natur mit den wechselnden Jahreszeiten zu beschreiben. Ein prominentes Beispiel ist Theodor Storms Gedicht „Oktoberlied“, in dem er die „goldenen Tage des Herbstes“ feiert und dabei die melancholische Schönheit dieser Zeit hervorhebt. Der Altweibersommer steht hier sinnbildlich für den Abschied vom Sommer und den nahenden Winter, aber auch für die Vergänglichkeit des Lebens.

Auch in der Romantik, einer literarischen Epoche des 19. Jahrhunderts, war der Altweibersommer ein beliebtes Thema. Die Dichter dieser Zeit fühlten sich stark von der Natur und ihren Veränderungen inspiriert. Der Altweibersommer symbolisierte für viele Romantiker den Übergang zwischen Jugend und Alter, Leben und Tod. Die Spinnweben, die in der Luft schwebten, wurden oft als zarte Fäden des Schicksals oder des Lebens betrachtet, die bald zu Ende gehen würden.

Kulturelle Unterschiede

Während der Begriff „Altweibersommer“ in Deutschland und anderen mitteleuropäischen Ländern verbreitet ist, gibt es in anderen Kulturen ähnliche Konzepte, aber unterschiedliche Bezeichnungen. Der „Indian Summer“ in Nordamerika etwa beschreibt ein sehr ähnliches Wetterphänomen. Dort wird die Zeit des späten Sommers und frühen Herbstes jedoch mit der Farbenpracht der Wälder in Verbindung gebracht, die in dieser Jahreszeit in leuchtenden Rot-, Gelb- und Orangetönen erstrahlen. Der Ursprung des Begriffs „Indian Summer“ ist jedoch weniger eindeutig als der des „Altweibersommers“, und es gibt verschiedene Theorien, die von meteorologischen bis hin zu kulturellen Erklärungen reichen.

In Skandinavien wird ein ähnliches Phänomen als „Brittsommar“ bezeichnet, benannt nach dem Namenstag der heiligen Birgitta (7. Oktober), zu dessen Zeit das milde Wetter oft auftritt. Auch hier ist die Verbindung zu religiösen oder mythologischen Figuren und der Jahreszeitenwende offensichtlich.

Unser Fazit

Der Begriff „Altweibersommer“ hat eine reiche und vielschichtige Geschichte, die sowohl sprachliche als auch kulturelle Aspekte umfasst. Die Verbindung zwischen den schwebenden Spinnweben und den „alten Weibern“ ist wahrscheinlich eine Kombination aus Naturbeobachtungen, Volksglauben und sprachlichem Wandel. Der Altweibersommer symbolisiert den Übergang zwischen Sommer und Winter, Leben und Tod, Jugend und Alter – und erinnert uns daran, dass die Natur immer im Fluss ist. So ist der Altweibersommer nicht nur eine meteorologische Besonderheit, sondern auch ein tief in der europäischen Kultur verwurzeltes Phänomen, das uns an die Zyklen des Lebens und der Natur erinnert.