Benolpe im Krieg: Briefe in die Heimat (III) – Depot de Aubagne 1945

Wer kennt sie nicht, die „guten Wünsche“, die sicher in keiner Zeit des Jahres öfter ausgesprochen werden als an Weihnachten oder um Weihnachten herum? Ein Kernsatz der Weihnachtsgeschichte des Lukasevangeliums lautet: „Friede auf Erden den Menschen guten Willens“ und in diesem Jahr 2023 wirkt er zeitgemäßer denn je!

Es wäre naheliegend, in diesem Zusammenhang auf aktuelle Kriegsereignisse einzugehen, doch an dieser Stelle möchte ich Texte betrachten, deren letzter vor 75 Jahren verfasst wurde. Geschrieben hat sie der Benolper Erwin Löcker, der 1943 als 18-jähriger in den Kriegsdienst einberufen wurde. Er diente zunächst in Dänemark, wurde später nach Frankreich verlegt und geriet dort im August 1944 in Gefangenschaft, die bis unmittelbar vor Weihnachten 1948 andauern sollte.

In losen Abständen publizieren wir hier Abschriften seiner Briefe, die er zur Weihnachtszeit an seine Mutter Franziska Löcker, sein Vater Franz starb am 02.07.1941, aus dem südfranzösischen Gefangenenlager Aubagne (Bouches du Rhone) bzw. einer Zeche im nahe gelegenen Greasque, wo er im Bergbau arbeitete, bzw. arbeiten musste, schrieb:

Erster Weihnachtstag 1947
Meine liebe Mutter!
Heute am Weihnachtstag will ich auch Deiner gedenken, wie ich auch schon die ganzen Tage an Dich und an Euch alle gedacht habe. Ja, es ist nun schon das 5. Weihnachtsfest, was ich in der Fremde feiern muss und hoffe nur, dass dies das letzte Weihnachtsfest ist, was ich nicht zu Hause verleben kann. Ich will heute nun nicht gerade allzu hoffnungslos schreiben, denn es ist ja Weihnachten da, na ja für heute genug davon.
Nun musste ich erst einmal aufhören, denn gerade kamen einige Kameraden von der Kantine rüber und wollten mich unbedingt mit rüberholen und da habe ich erst einmal meine ganze Redekunst aufwenden müssen, um die Helden (?) überhaupt erst einmal wieder los zu werden. Aber ich habe es geschafft, aber nur mit dem Versprechen, dass ich nachher noch rübergehen will.
Gestern Abend habe ich übrigens noch einen Brief von Dir bekommen und die wunderbare Karte (Anmerkung: Die Vorderseite zeigt Benolpemotiv, siehe Anlage) von ? Also wie ich mich darüber gefreut habe, kann ich Dir gar nicht sagen. Also sag ? bitte, dass ich mich über die Karte riesig gefreut habe und dass ich mich herzlich bedanke. Ich glaube, ich habe die Karte nun schon unzählige Male angesehen und habe sie auch gleich so aufgestellt, dass ich sie immer vor Augen habe. Deine Päckchen sind noch nicht angekommen, aber ich hätte auch nicht gewusst, wohin mit all dem Zeug, denn was wir hier für ein schönes Weihnachten feiern, kann ich Dir im Brief gar nicht schildern. Beim nächsten Brief werde ich versuchen, Dir ungefähr ein Bild davon zu geben, wie wir hier unsere Weihnachtstage verlebt haben. Ganz besonders habe ich aber an den kleinen Karl-Josef gedacht (Ihr müsst schon entschuldigen, dass ich immer noch kl. Karl-Josef schreibe, aber ich kenne ihn von früher her ja nur so und möchte ihn auch so in Erinnerung behalten), denn für ihn hätte ich hier viel an Süßigkeiten, wie er sie in den letzten Jahren noch nicht wieder gesehen hat. Und für mich ist es unmöglich das alles zu essen, …… (folgende Zeilen nicht lesbar)
Nun muss ich leider schon wieder schließen, denn der Brief ist mir zu schnell voll geworden. Den Weihnachtsbericht werde ich Dir in dem nächsten senden. Entschuldige bitte die Schrift, aber die Helden lassen mir keine Ruhe. Nochmals viele Grüße. Dein immer an Dich denkender Erwi
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Ein besonderer Dank gilt an dieser Stelle Reiner und Thomas Löcker, die dem Archiv des Heimat- und Fördervereins einen großen dorfgeschichtlich relevanten Fundus aus dem Nachlass Leni Löckers zur Verfügung gestellt und der Veröffentlichung vorstehender Texte zugestimmt haben.