Benolpe im Krieg: Briefe in die Heimat (II) – Depot de Aubagne 1944

Wer kennt sie nicht, die „guten Wünsche“, die sicher in keiner Zeit des Jahres öfter ausgesprochen werden als an Weihnachten oder um Weihnachten herum? Ein Kernsatz der Weihnachtsgeschichte des Lukasevangeliums lautet: „Friede auf Erden den Menschen guten Willens“ und in diesem Jahr 2023 wirkt er zeitgemäßer denn je!

Es wäre naheliegend, in diesem Zusammenhang auf aktuelle Kriegsereignisse einzugehen, doch an dieser Stelle möchte ich Texte betrachten, deren letzter vor 75 Jahren verfasst wurde. Geschrieben hat sie der Benolper Erwin Löcker, der 1943 als 18-jähriger in den Kriegsdienst einberufen wurde. Er diente zunächst in Dänemark, wurde später nach Frankreich verlegt und geriet dort im August 1944 in Gefangenschaft, die bis unmittelbar vor Weihnachten 1948 andauern sollte.

In losen Abständen publizieren wir hier Abschriften seiner Briefe, die er zur Weihnachtszeit an seine Mutter Franziska Löcker, sein Vater Franz starb am 02.07.1941, aus dem südfranzösischen Gefangenenlager Aubagne (Bouches du Rhone) bzw. einer Zeche im nahe gelegenen Greasque, wo er im Bergbau arbeitete, bzw. arbeiten musste, schrieb:

Meine liebe Mutter!
Zunächst wünsche ich Dir ein frohes und gesundes Weihnachtsfest und ein glückseliges Neujahr. Es ist nun schon das 2. Weihnachtsfest was ich in der Gefangenschaft erlebe und das 3. wo ich nicht zu Hause war. Ich will doch hoffen, dass wir das nächste wieder gemeinsam feiern können. Ich werde an diesen Tagen an euch denken und im Geiste auch dabei sein. Einen Weihnachtsbaum musst Du Dir aber auch machen, schon allein wegen dem kleinen Karl-Josef und blas ja keine Trübsal, denn beim nächsten Jahr bin ich wieder dabei. Was macht denn eigentlich der kleine Karl-Josef noch? Ich muss doch schon mal an ihn denken, wie ich überhaupt jeden Tag an euch alle denke. Es ist nun bereits 1 Jahr her, dass ich euch zum 1. Mal geschrieben habe, und zwar am 29. November 1944 und bis heute habe ich noch keine Nachricht von Dir, manchmal denke ich doch, dass vielleicht etwas passiert ist, aber das will ich doch nicht hoffen, zumal mir jetzt ein Kamerad aus dem Siegerland, der im Mai in Gefangenschaft gekommen ist, erzählte, dass auch im Siegerland der Krieg gewütet hat und von da aus ist es ja nicht mehr weit. Liegt denn bei euch auch schon Schnee oder wie ist es jetzt? Hier wird ja wohl auch dieses Jahr wieder kein Schnee fallen, genau wie die vergangenen Jahre auch. Kalt wird es allerdings jetzt auch allmählich. Von mir kann ich Dir ja nichts Neues berichten, es ist ja immer dasselbe. Sorgen brauchst Du Dich um mich bestimmt nicht zu machen, mir geht es wirklich immer noch gut und dasselbe hoffe ich ja auch ganz stark von Dir und auch allen anderen. Nach jedem einzelnen kann ich mich nun auch nicht erkundigen, das wäre zu viel. Was machen die Benolper Jungens noch alle? Ich wünsche Dir und allen anderen nun alles Gute und verbleibe mit den besten Grüßen und Wünschen. Dein Erwin


Ein besonderer Dank gilt an dieser Stelle Reiner und Thomas Löcker, die dem Archiv des Heimat- und Fördervereins einen großen dorfgeschichtlich relevanten Fundus aus dem Nachlass Leni Löckers zur Verfügung gestellt und der Veröffentlichung vorstehender Texte zugestimmt haben.